INTERVIEWS
«Der Mensch will sich in einem möglichst spannenden Umfeld zeigen»
Der Verein Zürcher Museen (VZM) setzt sich für alle möglichen Anliegen der Museen in Zürich und deren Besucherinnen ein und mit neuen Marketing- und Kommunikationstrends auseinander. Was die Geschäftsstelle davon implementiert, entscheidet Nicole Mayer, die Geschäftsführerin des VZM. Im Gespräch erzählt sie von den Herausforderungen, Kommunikation und Organisation des Grossevents «Lange Nacht» – Zürichs Museumsnacht – zu koordinieren und wie Social Media dabei helfen kann, auch kleinere Museen ins digitale Rampenlicht zu rücken.
Eva Wittwer: Frau Mayer, die Zürcher Museumsnacht, die «Lange Nacht», wird dieses Jahr zum 20. Mal veranstaltet. Was muss bis dahin noch getan werden?
Nicole Mayer: Noch viel! Die «Lange Nacht» findet immer im September, quasi zum Auftakt der Kultursaison statt. Jeweils im Frühling beginnen wir mit der Organisation, treffen uns mit den Partnern und besprechen, wie die «Lange Nacht» ablaufen soll.
Um so einen Grossevent durchzuführen, müssen verschiedene Stellen dicht miteinander arbeiten. Welches sind die Partner, die mit dem VZM dieses Grossprojekt stemmen?
NM: Also einerseits sind das natürlich die Zürcher Museen und andererseits die Infrastruktur-Partner wie die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ). Wohl als einzige Museumsnacht der Schweiz funktionieren wir ganz ohne Sponsoring, nur mit Kooperationen. Die VBZ sind unser Hauptpartner. Sie regeln die Verkehrssituation und gemeinsam sorgen wir dafür, dass der Transport von Museum zu Museum besucherfreundlich organisiert ist und funktioniert. Zürich Tourismus ist ein weiterer wichtiger Partner von uns und verkauft ab ca. Mitte August Tickets im Tourist Service im Hauptbahnhof Zürich. Die VBZ tut dies an ihren Verkaufsstellen übrigens auch.
Jahresprojekt «Lange Nacht»
Und wann setzen Kommunikation und Werbung für die «Lange Nacht» ein?
NM: Das ist eigentlich recht simpel, da eine langgezogene öffentliche Kampagne mit Plakaten vor allem wegen der Sommerferien wenig Sinn macht. Zudem handelt es sich bei der «Langen Nacht» um einen Anlass, der nicht ausverkauft sein kann, was dazu führt, dass die Besucher sehr kurzfristig entscheiden. Zeitlich konzentrieren wir uns auf die Zeit nach den Sommerferien und haben während rund zwei Wochen vor der Veranstaltung eine intensive Präsenz in der Stadt.
Eine intensive Präsenz markieren - Was heisst das genau für den VZM?
NM: In der Stadt setzen wir immer noch recht stark auf Plakate, weil die, laut Umfragen, für Kulturanlässe immer noch sehr gut wahrgenommen werden. Seit zwei Jahren verzichten wir aber auf Printwerbung und haben uns dafür in den Onlinebereich verlagert. Dementsprechend haben wir in den letzten zwei Jahren auch die Präsenz auf Social Media intensiviert. Dank der Partnerschaft mit der VBZ kommt auch Werbung in den öffentlichen Verkehrsmitteln dazu. Und um auch ein Publikum von ausserhalb Zürichs zu erreichen, ergänzen wir diese durch Werbung im S-Bahn-Netz.
Wie sieht die mit den Museen gemeinsame Kommunikationsstrategie aus?
«Wir haben viel in den Onlinebereich verlagert»
NM: Eine eigentliche Strategie ist dafür nicht notwendig. Grundsätzlich markiert der Start des Vorverkaufs Mitte August auch den Start der Werbekampagne. Natürlich setzen wir Social Media schon früher ein – zum Beispiel, wenn Mitte Juli das Programm online geht. Die Museen sind dabei natürlich jederzeit willkommen, die «Lange Nacht» auch auf ihren Kanälen zu bewerben und werden dafür entsprechen ausgerüstet. Die teilnehmenden Museen können bei uns sämtliche Werbemittel für ihre Zwecke kostenlos bestellen. Eigentlich funktioniert die gemeinsame Kommunikation wie von selbst, da ja jedes Museum auch ein Eigeninteresse an der Sache hat und möglichst viele Besucherinnen anziehen möchte.
Auf Social Media werden viele Bilder zur «Langen Nacht» gepostet, auch von Besucherinnen. Wie geht der VZM mit den Inhalten um, der von Usern generiert wird?
NM: Wir fordern Besucher auf, den Hashtag #langenacht19 (jeweilige Jahreszahl) zu verwenden. Zudem taggen sie uns oder die Museen, wenn sie Bilder von ihren Erlebnissen posten. Wir sammeln dann alle Beiträge in einer Galerie auf unserer Website und natürlich liken wir etwas oder reposten ein gelungenes Bild.
Die Rolle der Besucher
Werden gerne Bilder von und in Museen gemacht?
«Kunstmuseen bieten die attraktivsten Kulissen»
NM: Ja, dafür bieten die Museen sicherlich eine gute Voraussetzung. Besonders Kunstmuseen aber auch architektonisch interessante Orte bieten eine attraktive Kulisse für Social-Media-Posts. Das Publikum setzt sich darin gerne in Szene und teilt diese Bilder. So werden die Besucherinnen auch zu Kommunikatoren und helfen die Reichweite zu multiplizieren. Ein interessantes Beispiel dafür ist die Sukkulenten-Sammlung Zürich, die vermehrt von Instagram-Fans frequentiert wird, weil viele attraktive davon geteilt wurden. Das hat dazu geführt, dass die Sammlung von einer neuen Zielgruppe wahrgenommen und besucht wird.
Kann man von den Posts ableiten, welches die Interessen der Besucherinnen sind und diese für die eigene Praxis verwenden?
NM: Man kann sich natürlich schon fragen, ob sich die Leute tatsächlich für die eigentlichen Inhalte der Sukkulenten-Sammlung interessieren. Im Vordergrund stand wohl wirklich die attraktive Kulisse. Dennoch kam was in Bewegung, es wurden Eintritte generiert und es bleibt zu hoffen, dass manch ein Besucher auf eine ihm bisher unbekannte Thematik aufmerksam wurde.
Was macht eine attraktive Kulisse für Social-Media-Posts aus?
NM: Es sind sicherlich verschieden Aspekte. Kunst, attraktive Architektur und Skulpturen bieten auf jeden Fall spannende Kulissen, in denen sich der Mensch wirkungsvoll inszenieren kann. Dabei spielt aber nicht nur die Optik eine Rolle, sondern auch der Inhalt und das Image, das man dadurch mit sich in Verbindung bringt. Man setzt sich gerne in einen attraktiven Kontext. So gibt es inhaltlich mehr her, wenn ich mich in einem spannenden Museumsumfeld zeige, als einfach nur auf einer Blumenwiese. Ein aktuelles Beispiel war der Spiegelsaal von Timo Nasseri in der letzten Ausstellung des Museums Haus Konstruktiv, der auf Social Media zahlreich aufgetaucht ist und geradezu eingeladen hat, das Handy zu zücken. Zudem gehe ich davon aus, dass der Erweiterungsbau des Kunsthaus Zürich besonders bei seiner Eröffnung auf Social Media ebenfalls von grosser Bedeutung sein wird.
Heisst das, das Kunstmuseen Leute aus rein fotografischen Gründen anziehen können? Was posten dann solche Museen auf Social Media, die weniger oder keine grossartigen Kunstwerke bieten können?
NM: Hier braucht es manchmal vielleicht etwas mehr Fantasie und klar, es ist schwieriger ohne visuell attraktive Motive auf Social Media aufzufallen. Die grössere Herausforderung sehe ich allerding darin, dass kleinere Museen oftmals nicht über die notwendigen Ressourcen verfügen, sich der Sache überhaupt seriös anzunehmen. Aber genau da versuchen wir vom VZM auch zu unterstützen, indem wir kommunikativ eben nicht nur über die sogenannten Leuchttürme reden, sondern auch auf teilweise exotische, weniger bekannte Themen solcher Institutionen aufmerksam zu machen und damit wiederum die Vielfalt des Zürcher Museumsangebots in den Mittelpunkt zu stellen.
Gibt es auch andere Herausforderungen oder Probleme im Umgang mit Social Media, nicht nur für den VZM?
«Social Media lässt einem die Freiheit für Spontanität»
NM: Der Umgang mit Social Media erscheint mir sehr individuell. Es gibt kaum ein richtig oder ein falsch. Social Media lässt zudem viel Freiraum für Spontanität, was bei vielen anderen Medien stärker eingeschränkt ist. Persönlich sehe ich Social Media bisher primär als Ergänzung zu anderen Medien. Mittlerweile kann ich mir aber vorstellen, dass Social Media für ein jüngeres Publikum zu einem Kommunikationskanal wird, der andere Medien ablösen wird. In dem Zusammenhang ist es durchaus denkbar, dass eine Entwicklung von einem eher intuitiven zu einem strategischen Umgang notwendig ist, was wiederum Ressourcen fordert.
Sie sprechen von anderen Mediengattungen – gibt der VZM auch Printprodukte heraus?
NM: Wir geben ein monatliches Bulletin heraus, das man kostenlos abonnieren kann. Wie sich zeigt, schätzt gerade ein älteres Museumspublikum Printprodukte immer. Zweimal im Jahr erscheint zudem der sogenannte Exhibition Guide fürs englischsprachige Publikum. Damit sprechen wir Touristen, aber auch englischsprachige Menschen, die hier leben, an. Beide Printprodukte legen wir in Museen, Hotels und an weiteren Orten auf, wo potentiell Interessierte unterwegs sind.
Digitalisierung in Zürcher Museen
Werden solche Publikationen oder neue Entwicklungen im Museumsbetrieb intern mit den Vereinsmitgliedern besprochen?
NM: Wir führen für unsere Mitglieder Veranstaltungen zu Themen von allgemeinem Interesse durch. Wenn möglich entsteht dabei Wissenstransfer unter den Mitgliedern. Da gibt es beispielsweise einen Vortrag eines Mitglieds, das in einem Bereich besonders erfahren ist und sein Wissen mit anderen Mitgliedern teilt. Anschliessend kommt es immer zu wertvollen Diskussionen.
Hat man sich in dem Rahmen einer solchen Veranstaltung auch schon über Social Media oder allgemein über die Digitalisierung ausgetauscht?
«Das Thema Digitalisierung wird noch als grosse Herausforderung wahrgenommen»
NM: Bis jetzt noch nicht, aber das Thema steht tatsächlich auf der Agenda und wird wahrscheinlich eine der nächsten Veranstaltungen prägen. Es ist etwas, was für alle Ressourcen- und Know-How-Fragen aufwirft und von vielen noch als grosse Herausforderung wahrgenommen wird. Hier gilt es vielleicht auch ein wenig Mut zu machen.
Dass es schwer ist, sich im Themengebiet Social Media zurechtzufinden, gehört zu den Herausforderungen, denen sich Museen stellen müssen. Was rät der VZM bei Anfragen der Museen in Bezug auf diese Thematik?
NM: Wir sind keine Beratungsstelle für die Museen, aber ich würde jedem raten, vor Social Media nicht allzu grossen Respekt zu haben und auch mal intuitiv zu agieren und auszuprobieren. Ich würde keinem raten, die Finger davon zu lassen. Allgemein müssen Museen in Bewegung bleiben und da gehört heute diese Thematik ganz klar dazu. Man muss einen guten Mix finden, nicht nur in der Kommunikation, sondern auch in der Aufbereitung und Vermittlung von Ausstellungsthemen. Das Publikum ist zu Recht anspruchsvoll. Es wird also sicher nicht langweilig.
Ein Tipp: Ein gut kommunizierter Institutions-spezifischer Hashtag kann dazu führen, dass sich die Inhalte über die eigene Institution schneller auf Social verbreiten und eine höhere Beteiligung von Besucherinnen zur Folge hat.
Dieses Interview wurde am 27. Februar 2019 im Café Sphères in Zürich geführt.