INTERVIEWS
«Durch Social Media können wir über die Bildsprache konstruktiv-konkrete Kunst einem breiten Publikum zugänglich machen»
Viele Kunstinstitutionen verfügen nur über beschränkte Ressourcen für die Kommunikation, was dazu führen kann, dass dem digitalen Bereich nur wenig Budget zugeteilt wird. Flurina Ribi, die Leiterin der Presse-, Marketing- und Öffentlichkeitsarbeit im Museum Haus Konstruktiv erzählt im Gespräch, wie man trotz kleinem Budget und wenig Personal einen erfolgreichen Webauftritt auf Social Media erzielen kann und was die letzte Gruppenausstellung «Konkrete Gegenwart» dazu beitragen konnte.
Eva Wittwer: Flurina, während eurer letzten Gruppenschau «Konkrete Gegenwart» sind die Social Media Zahlen extrem gewachsen. Kannst du dir erklären warum?
Flurina Ribi: Es ist selbstverständlich toll, wenn die Anzahl der Follower kontinuierlich wächst. Bei der letzten Ausstellung ist sie tatsächlich stark angestiegen – noch bevor die Ausstellung eröffnet hat und wir erstmals den Spiegelraum von dem deutsch-iranischen Künstler Timo Nasseri gepostet hatten. Ich war auch erstaunt, ehrlich gesagt. Kann sein, dass dies mit den Künstlern – es waren 34 – und den Galerien zu tun hatte, die sie vertreten. Die Inhalte verteilen sich so schnell, es ist wie ein Schneeballeffekt. Aber wir stellen auch eine Erwartungshaltung bei den Galerien gegenüber uns fest.
Welche Erwartungen haben Galerien an euch, wenn es um Social Media geht?
FR: Die Galerien wollen ihre jeweiligen Künstler und ihre Arbeiten auf unseren Social-Media-Kanälen repräsentiert sehen und selbst die Eröffnung der Ausstellung ankündigen und zwar am liebsten mit einem Bild ihres Künstlers. Bei einer Gruppenschau mit 34 Künstlern ist es unmöglich, allen gerecht zu werden und gleich viel Präsenz auf Social Media zu bieten. Das ist eine Gratwanderung.
Wie hast du das bei der Gruppenschau «Konkrete Gegenwart» gemacht, die ja auf Social Media sehr gut angekommen ist?
FR: Man muss sich – insbesondere vor der Vernissage – auf einige Künstler konzentrieren, deren Arbeiten für die Museumsbesucher visuell attraktiv sind oder anders gesagt, über die wir für die ganze Ausstellung Neugierde wecken können. Der Inhalt des Werks wird über wenige Sätze und ein gutes Bild vermittelt. Ich habe auch nach Andockpunkten gesucht, wie zum Beispiel bei der Künstlerin Lara Favaretto, deren Arbeit, der Konfetti-Würfel, die Öffentlichkeit bereits an der Art Basel gesehen hat oder ich habe lokale Künstler angekündigt, die man in Zürich kennt.
Der Social-Media-Schneeball-Effekt
Welche anderen Bereiche der Museumsarbeit preist du neben den Ausstellungen auf Social Media an?
«Es ist sinnvoll, immer mal wieder etwas Neues auszuprobieren»
FR: Der Hauptfokus liegt auf den Ausstellungen und den verschiedenen Phasen – also Aufbau und Vorbereitung, Eröffnung, dann Einblicke in die Ausstellung und letzte Tage. Das interessiert die Community. Ich mache ein bis zwei Mal die Woche auf Instagram Stories mit dem Wochenprogramm und ab und zu poste ich Bilder vom Café, Shop oder generell vom Museum. Und die Vermittlungsangebote kündige ich natürlich auch auf Social Media an. Aber ich merke schon, dass gut komponierte Bilder der Ausstellungen am besten ankommen. Und es ist sinnvoll, immer mal wieder etwas Neues auszuprobieren, weil man sonst sehr schnell repetitiv wird.
Wie interagierst du mit den Followerinnen oder auch zum Beispiel mit Journalisten oder Bloggerinnen, die sich auf Social Media mit dem Haus Konstruktiv online austauschen wollen?
FR: Wenn ein interessanter Medienbericht veröffentlicht wird, poste ich diesen auf unseren Plattformen und verlinke falls möglich die Autorin und das Medium. Ich like oder kommentiere als Haus Konstruktiv auch Bilder, die Besucher gemacht haben und manchmal reposte ich auch etwas. Ich gebe unseren Followern gerne eine Plattform, wenn ich sehe, dass sie sich mit unserem Programm auseinandergesetzt haben, das macht wiederum andere neugierig.
Welche übergeordneten Ziele verfolgst du mit dem Gebrauch von Social Media?
«Das Ziel ist es, Leute auf unser Haus aufmerksam zu machen»
FR: Das Ziel ist, ein breites Publikum auf unser Haus und das Programm aufmerksam zu machen. Wir versuchen durch Social Media ein neues und auch jüngeres Publikum anzusprechen und die Hemmschwelle abzubauen ins Museum zu kommen. Und wir wollen ein Verständnis für die konstruktiv-konkrete Kunst schaffen. Wir merken nämlich, dass oft missverstanden wird, was konkrete Kunst überhaupt ist. Durch Social Media können wir diese Kunstform einem breiten Publikum über die Bildsprache zugänglich machen.
Wie stellst du fest, ob Social Media wirklich Leute ins Museum lockt?
FR: Seit ein paar Monaten führen wir eine Publikumsumfrage durch, anhand der wir herausfinden möchten, über welche Kanäle die Besucher auf unsere Ausstellungen und unser Haus aufmerksam geworden sind. Erste Auswertungen haben gezeigt, dass sich unsere Besucher immer noch über alle Kanäle informieren – eine Ausstellungsbesprechung in einer Zeitung ist ebenso wichtig wie die Kommunikation über die Website, Social Media oder auch die Printanzeige oder Empfehlung von Freunden. Die Antworten korrelieren mit dem Alter der Besucher. Social Media – insbesondere Instagram – wird aber oft genannt.
Das Kunstwerk als Foto-Magnet
Auf den verschiedenen Social Media Plattformen gibt es jeweils auch Business-Tools, die zum Beispiel Einblicke in die Statistiken gewähren. Benutzt du diese Plattform-Statistiken, um Rückschlüsse über das Publikum zu schliessen?
FR: Nur am Rande, aus Zeitgründen. Ja, man kann ablesen, ob man sein Zielpublikum erreicht. Die beiden grössten Gruppen auf unserem Instagram-Account sind Schweizer Frauen zwischen 24 und 34 Jahren und Männer zwischen 35 und 44 Jahren. Und durch den begehbaren Spiegelraum des Künstlers Timo Nasseri haben wir über Social Media auch eine neue jüngere Publikumsgruppe dazugewonnen.
Der begehbare Spiegelraum, mit den tausenden Spiegeldreiecken, von Timo Nasseri wurde hunderte Male von Besucherinnen auf Social Media geteilt. Warum kommt dieser Spiegelraum auf Social Media so gut an?
FR: Weil er einerseits eine wunderbare, sehr sinnliche und unerwartete Installation ist. Andererseits spricht er aber auch Menschen an, die einen tollen Ort suchen –um sich darin fotografieren zu können. Wir haben bereits zu Beginn der Ausstellung vermutet, dass der Spiegelraum so ein Ort werden könnte. Als wir erstmals ein Bild dieser Installation über unsere digitalen Kanäle verbreitet haben, gab es eine Initialzündung. Ein grosses Interesse wurde geweckt und der Post hatte innert kürzester Zeit eine breite Streuung auf den Kanälen von Social Media. Das hat nicht nur Vorteile.
Wie meinst du das?
FR: Es gibt viele, denen der Raum einfach gut gefällt und die sich in der Installation fotografieren möchten, ohne dass sie genau wissen, wo sie sind und was Thema der Ausstellung ist. Eine Frage, die wir uns in diesem Zusammenhang stellen, ist, ob es dem Kunstwerk gerecht wird. Dennoch, wenn jemand zu uns ins Museum kommt, um sich selbst zu fotografieren, war er immerhin schon mal da. Die Hemmschwelle, uns oder auch ein anderes Museum in Zukunft zu besuchen, ist in der Folge also tiefer.
Das Zeitalter der Digitalisierung im Museum
Welche Folgen der Digitalisierung zeigen sich im Kunstmuseumskontext und für deine Arbeit als Kommunikationsleiterin?
FR: Im Zeitalter der Digitalisierung existiert nur, wer online ist. Die Onlinepräsenz wird für Museen immer wichtiger – dies gilt nicht nur für Kulturinstitutionen. Der Besucher bekommt heute einen digitalen Zugang zu weltweiten Sammlungen, kann sich via Videos in Ausstellungen umsehen. Digital auf Informationen zugreifen zu können, ist heutzutage eine Selbstverständlichkeit. Die digitale Information ersetzt aber nicht die klassische Information und das sinnliche Erlebnis eines Museumsbesuchs kann die Digitalisierung auch nicht ersetzen.
Läuft viel eurer Kommunikation über digitale Kanäle aus dem Grund, dass der Zuschauer sich einen konstanten Zugriff auf Informationen wünscht?
«Für uns ist digitale Kommunikation extrem wichtig, da das Werbebudget klein ist»
FR: Viel davon. Für uns ist die digitale Kommunikation extrem wichtig, da ich als Einzelperson für die Kommunikation zuständig bin und das Werbebudget klein ist. Wir aktualisieren unsere Website regelmässig, verschicken einen E-mail-Newsletter, nutzen die Social-Media-Kanäle intensiv und tragen uns in allen möglichen Online-Agenden ein. Heute informiert man sich erst online, und je interessanter und attraktiver die Ausstellungen im Netz dargestellt sind, umso grösser ist der Anreiz, sie auch zu besuchen. Wir sind aber auch in Printmedienagenden vertreten, schalten vereinzelt Anzeigenwerbung, haben pro Ausstellung auch immer ein paar Plakate in der Stadt hängen und versenden Flyer zu den Ausstellungen.
Wird vom Haus Konstruktiv Social Media ausschliesslich als Kommunikationstool verwendet?
FR: Ja, denn auf Social Media informiert man sich über Neues, Trends und Veranstaltungen. Blogger, Touristen, aber auch die breite Öffentlichkeit und Medienschaffende informieren sich vermehrt auch auf Social Media.
Wie gehst du mit dem Text- und Bildverhältnis auf Social Media um?
FR: Das Bild weckt die Neugierde. Der Text bietet Hintergrundinformation. Entscheidend ist aber definitiv das Bild. Die Information zum Bild trägt hoffentlich dazu bei, dass einige der Follower ins Museum kommen und sich die Ausstellung ansehen.
Ein Tipp: Um einen grossen Wiedererkennungseffekt zu gewährleisten, der Besucherinnen anzieht, kann man sich in der Social-Media-Kommunikation von Ausstellungen auf ein paar wenige visuelle ansprechende Elemente konzentrieren und diese immer in neuen Konstellationen teilen.
Dieses Interview wurde am 25. Februar 2019 im Museum Haus Konstruktiv in Zürich geführt.