INTERVIEWS
«Durch Social Media kann man die Schwellenangst überwinden»
In der Kunsthalle Zürich wird Social Media kollaborativ gestaltet. Michelle Akanji – die Leiterin von Kommunikation, Presse und Events – erklärt, welche Vorteile eine solche Zusammenarbeit bringt und wie digitale Medien, Blogs und Social Media nicht nur Verbundenheit zwischen den Besucherinnen und dem Museum schaffen, sondern auch den Ausstellungsraum digital erweitern können.
Eva Wittwer: Michelle, welchen Umgang pflegt die Kunsthalle Zürich mit Social Media?
Michelle Akanji: Die einzelnen Kanäle, Instagram, Facebook und Twitter und der Blog, werden von mehreren Personen betreut. Von mir natürlich, als Kommunikationsverantwortliche, und von unserer Assistenz. Der Inhalt kommt aber auch von Mitarbeitenden der Vermittlung, dem Ausstellungsmanagement und aus der Kuration.
Wie kam es zum dieser gemeinsamen Arbeit an Social Media?
MA: Bei uns gibt es eine hohe Sensibilisierung für das Thema Social Media. Meine Mitarbeiterinnen schicken mir ab und zu Bilder zum Posten oder wir brainstormen zusammen, was man machen könnte. Das Thema Social Media ist bei allen im Hinterkopf. Vieles passiert jedoch unterschwellig, weil wir der Meinung sind, dass es für eine Kunsthalle sehr wichtig ist, auf Social Media präsent zu sein.
Kunsthallen unterscheiden sich von Museen dadurch, dass sie keine Sammlung haben. Die Kommunikation funktioniert aber ähnlich, wenn nicht sogar gleich wie in Museen. Warum ist es für eine Kunsthalle wichtig, auf Social Media präsent zu sein?
MA: Durch Social Media kann man Verbundenheit herstellen. Zwischen uns und den Künstlerinnen, zwischen uns und den Besuchern. Es dient natürlich auch als Arbeitswerkzeug. Ab dem Zeitpunkt, an dem feststeht, welche Künstlerinnen bei uns auf dem Programm stehen, abonniere ich deren Hashtags und erstelle «GoogleAlerts», um auf dem neusten Stand zu bleiben. In den Monaten vor den jeweiligen Ausstellungen versuche ich immer so viele Informationen wie möglich einzuholen, um eine spannende Kampagne führen zu können.
Sprichst du auch mit den Künstlerinnen selbst über Social Media? Zu welchem Zeitpunkt der Ausstellungsphase geschieht dies?
MA: Das gehört bei uns zum Erstkontakt. Ich habe dann meistens schon mit den jeweiligen Galerien Kontakt aufgenommen, um über Bildrechte zu sprechen und um bereits erste Bilder für Social Media anzufragen. Man merkt schnell, ob eine Künstlerin auf diese Form von Öffentlichkeit Lust hat oder nicht. Bisher war es aber noch nie ein Problem.
Die Sache mit dem Copyright
Bei der Gegenwartskunst ist es schwierig, wenn es um Bildrechte geht, da sie noch nicht öffentlich und für alle zugänglich sind. Wie laufen solche Verhandlungen über Bildrechte für den Gebrauch auf Social Media ab?
MA: Vor einer Ausstellung frage ich spezifisch bei den Künstlerinnen und den Galerien für Bilder für Social Media an. Ich frage das explizit so an, dass wir uns sicher sein können, dass diese Bilder dafür verwendet werden dürfen. Und sobald die Kunst dann bei uns ausgestellt ist, können wir eigenes Bildmaterial erstellen. Das wären dann Ausstellungsansichten und Ähnliches, für welche wir das Bildrecht haben.
Gab es bisher keine Probleme in Bezug auf Bildrechte?
«Ich frage explizit danach»
MA: Es funktioniert sehr gut so. Was Probleme geben kann, ist wenn Ausstellungen noch nicht fertig gehängt sind. Mit Vorschauen müssen wir aufpassen und im Vorfeld auf jeden Fall zuerst mit den jeweiligen Künstlerinnen klären, ob es für sie in Ordnung ist, unfertige Ausstellungsbilder zu veröffentlichen. Aber prinzipiell sind die Künstlerinnen sehr daran interessiert, dass wir ihre Arbeiten auf Social Media teilen.
Im Kunstbetrieb sind Instagram und Facebook sehr beliebt, ab und zu auch Twitter. Welche Plattformen sind für die Kunsthalle am wichtigsten?
MA: Auf Facebook posten wir Events und allgemeine Informationen. Und für Instagram mache ich gerne Bilder, die ohne Text funktionieren können. Instagram ist in der Kunstszene eine extrem wichtige Plattform geworden, da vorrangig visuelle Inhalte geteilt werden. Wenn es um viel Text geht, eignet sich Instagram jedoch nicht. Für solche Fälle haben wir unseren Blog.
Digitale Ausstellungserweiterung
Welche Gegebenheiten liegen dem Entstehen des Blogs zugrunde?
MA: Wir lancierten den Blog mit dem Redesign unserer damaligen Website. Wir haben uns als Team lange überlegt, welche Möglichkeiten es gibt, um gewisse Ausstellungen auch in den digitalen Raum zu erweitern. Der Blog hat zum Ziel, eine möglichst breite Plattform für möglichst viele Stimmen zu bieten und zudem eine Ergänzung zur Ausstellung zu sein.
«Der Blog soll eine mehrstimmige Plattform sein»
So ein Blog lädt zum Verweilen ein. Im Gegensatz dazu ist Social Media oftmals hektischer, kürzer und schneller. Stellen diese beiden Dinge für euch Gegenpole dar?
MA: Der Blog soll auch schnelllebig sein und Kontextthemen rund um die Ausstellungen abdecken. Er dient zudem als Archiv, was Social Media nur in einem begrenzten Masse bieten kann. Wir wollen, dass der Blog nicht redigiert und steif wirkt, obwohl dahinter ein intensiver Aufwand steckt.
Wie gross ist der Aufwand für den Rest der digitalen Kommunikation?
«Das ist die Arbeitsweise unserer Generation»
MA: Bei Social Media ist es schwer zu trennen, was als Arbeitszeit gilt und was nicht. Bei Facebook ist man durch seine privaten Kanäle verlinkt und kriegt dementsprechend auch in der Freizeit immer wieder Benachrichtigungen. Aber ehrlich gesagt stört mich diese Überschneidung nicht. Das ist die Arbeitsweise unserer Generation.
Unsere Generation – oft auch Digital Natives oder millennials genannt – diskutiert gerne online. Wie oft musst du in die Diskussionen eingreifen, die auf euren Social-Media-Kanälen laufen?
MA: Es gibt fast keine Interaktion zwischen uns und den Userinnen auf den Kanälen. Unsere Posts rufen auch nicht direkt zur Partizipation auf. Es ist eher eine einseitige Kommunikation, die wir tendenziell auf Social Media verfolgen. Manchmal like oder reposte ich Posts und Bilder von Besucherinnen. Und sollte sich mal eine Diskussion ergeben, halte ich mich eher im Hintergrund und beobachte nur. Für uns ist es natürlich auch spannend, wenn eine hitzige Debatte entsteht.
Ab wann meldest du dich zu Wort?
MA: Ich greife ein, wenn die Kunsthalle explizit angesprochen wird oder jemand etwas Sexistisches oder Rassistisches postet. Im Extremfall lösche ich auch mal einen Kommentar.
Angst vor der Beliebigkeit
Habt ihr in der Kunsthalle auch Angst vor lawinenartiger Negativkritik, dem sogenannten Shitstorm, auf Social Media?
MA: Viele Institutionen haben Angst vor einem Shitstorm. Oder eher noch, dass sie mit der Schnelllebigkeit dieser Plattformen nicht zurechtkommen. Das finde ich etwas überholt. Das ist zwar nur eine Mutmassung, aber ich glaube man fürchtet sich vielmehr vor der Beliebigkeit.
Wie meinst du das?
«Es geht darum, die Leute ins Haus zu holen»
MA: Die Angst davor, Inhalte so kurz und knapp in wenigen Sätzen kommunizieren zu müssen, wenn sie eigentlich viel komplexer oder abstrakter wären. Angst davor, die Inhalte aus der Kunst und Kunstgeschichte so stark runterbrechen zu müssen, dass Tiefe verloren geht.
Vielleicht eine berechtigte Angst, die viele Museen haben? Was kann man dagegen tun?
MA: Schlussendlich geht es bei Social Media darum, auf die Ausstellungen aufmerksam zu machen und die Leute ins Haus zu holen, sie neugierig zu machen. Und das funktioniert ein Stück weit sehr gut über Social Media. Wir merken, dass Schwellenängste überwunden werden können, wenn man Inhalte auf eine relativ kurze Nachricht eindampft und sie so zugänglicher macht.
Ein Merkmal von Social Media ist die Spontanität. Wie gut kann man als Kommunikationsabteilung einer Kunstinstitution seine Social-Media-Tätigkeit tatsächlich planen?
MA: Ungefähr fünf Wochen, bevor eine Ausstellung eröffnet, mache ich immer einen Redaktionsplan. Da überlege ich wirklich genau, welche Inhalte ich wann veröffentlichen möchte. Das Ganze ist sehr stark an die Ausstellungszyklen gebunden. Es lässt sich gut planen, wenn man ein Ziel vor Augen hat. So zeigt sich auch eine Professionalisierung im Umgang mit Social Media, die leider noch nicht überall existiert. Bei manchen Institutionen stellt sich noch gar nicht einmal die Frage, wie integriert kommuniziert werden soll, sondern eher, ob man überhaupt auf Social Media präsent sein will und wie das technisch funktioniert. Mittlerweilen setzen sich die Meisten damit auseinander und haben Erfolg. Und wie überall kommt es natürlich auch auf das Budget an.
Wofür genau wird euer Kommunikationsbudget verwendet?
«Plakate sind wirksam und wichtig»
MA: Wir haben vor vier Jahren, als die Direktion gewechselt hat, unsere Kommunikationsstrategie auf den Onlinebereich ausgerichtet. Das meiste geschieht nun digital bei uns. Nebst dem Onlinebereich setzen wir nach wie vor einen Teil des Budgets für Plakate und Printanzeigen in ausgewählten internationalen Fachmedien ein. Plakate sind immer noch sehr wirksam und wichtig für die Kunsthalle Zürich.
Gibt es auch einen Weg um Inhalte kostensparend zu generieren?
MA: Wir nutzen den sogenannten user generated content, um unsere Formate und Events zu bewerben. So kann dem Publikum signalisiert werden, dass man es wertschätzt und wir können gleichzeitig der Öffentlichkeit zeigen, dass die Kunsthalle in aller Munde ist.
Ein Tipp: Durch «GoogleAlerts» kann man sich über vergangene und künftige Künstlerinnen informieren und bei spannenden Nachrichten unmittelbar auf Social Media Stellung beziehen und Verbundenheit schaffen, indem man auf die eigene Institution bezogene Inhalte postet.
Dieses Interview wurde am 19. Februar in der Kunsthalle Zürich geführt.