INTERVIEWS
«Es ist genauso wichtig, dass man die Leute auch offline involviert.»
Als Blogger und Kunst-Influencer arbeitet Andy Hermann eng mit Kunstmuseen zusammen, um neue Ausstellungen auf seinem Blog AndyMeetsWarhol und auf seinen Social-Media-Kanälen anzupreisen. Kollaborationen, die beiden Seiten zu Gute kommen: Kunstmuseen können seine Plattform zum Werben nutzen und Andy Hermann kann seine Position als Kunstblogger festigen. Im Gespräch erzählt er, wie Kunst online zu Entertainment werden kann und wie man im digitalen Zeitalter von Kunst lebt, ohne Künstler zu sein.
Eva Wittwer: Andy, im heutigen Social-Media-Zeitalter gibt es in allen Bereichen Influencer, oder zumindest solche, die es von sich behaupten. Kann man sagen, dass du ein echter Kunst-Influencer bist?
AH: Das kann ich nicht erklären. Aber ich fühle mich mit ihm verbunden und er ist in gewisser Hinsicht eine Inspiration. Wir heissen beide Andy, daher auch dieser Blogname.
Wie bringst du Kunst, nicht nur die von Andy Warhol, sondern alles was dir gefällt an die Leute?
«Das eine komplementiert das andere»
AH: Mein Blog ist dafür sehr wichtig, denn da kann ich meine Texte und Interviews sowie Empfehlungen für Veranstaltungen veröffentlichen. Aber Instagram zum Beispiel gewinnt immer mehr an Bedeutung. Das eine komplementiert immer das andere. Vor Instagram benutzte ich Tumblr, das war meine erste Blogging-Plattform.
Du hast eine grosse Anzahl Followerinnen auf allen Netzwerken, mehr als jedes Schweizer Museum. Bei Social Media soll ja die Zahl der Follower den Erfolgsfaktor ausmachen. Wie wichtig sind dir viele Follower?
AH: Ich habe gerade letztens die 100’000-Marke auf Instagram geknackt. Die Fondation Beyeler, mit einem ausgezeichneten Instagram-Kanal, ist dicht hinter mir. Dass mir die Leute vertrauen ist schon eine grosse Ehre und ich bin sehr dankbar, trotzdem empfinde ich, dass ich noch am Anfang stehe und noch viel zu lernen habe. Gerade als Schweizer Kunst-Influencer auch international so eine grosse Community und Anerkennung zu geniessen, freut mich sehr. Und auf Twitter habe ich über 7000 Follower, auch das ist toll. Trotzdem finde ich den Offlinebereich genauso wichtig – dass man die Leute auch abseits des Internets kennen lernt und sie involviert. Ich möchte kein Influencer sein, der unerreichbar ist.
Online vs. Offline
Wie vereinbarst du deine Online- und Offlinetätigkeiten?
AH: Ich kuratiere Content sowohl online als auch offline: Zwischen diesen Ebenen zu differenzieren finde ich sehr spannend. Oft ist jedoch alles verknüpft. So habe ich letztens im Engadin ein Interview mit Thomas Hirschhorn führen können. Solche Treffen oder Studiobesuche von Nachwuchskünstler und von etablierten Künstlerinnen werden niemals mit Online-Erfahrungen ersetzt werden können. Jedoch ist es definitiv möglich Offline-Eindrücke mit neuen Medien ins Internet zu bringen.
Merkst du grosse Unterschiede zwischen der Beteiligung deiner Fans im Netz und denen, die du bei Events triffst? Sprechen gleich viele Leute mit dir auf der Strasse wie auf Instagram?
AH: Ich habe bemerkt, dass diejenigen Leute, die mich an Events kennenlernen, sich online stärker mit meinem Content auseinandersetzen, denn für viele Leute ist es interessant zu sehen, wer sich hinter dem Kanal befindet. Deswegen ist es für mich wichtig, an Veranstaltungen teilzunehmen und ich geniesse es auch, so neue Menschen kennen zu lernen und mich mit ihnen auszutauschen. Es gibt immer viel zu sehen, zu lernen und zu tun. Aber es kommt auch auf meine Arbeitspartner an, die Vernissagen und Events organisieren.
Meinst du mit Arbeitspartner Kunstmuseen, andere Kunstinstitutionen oder Firmen? Wie sieht eine solche Kollaboration aus und für welche Arbeit wirst du dabei bezahlt?
«Ein Nein bringt einen manchmal weiter»
AH: Ich mache bezahlte Kampagnen oder PR-Partnerschaften, wie zum Beispiel mit dem Kunsthaus Zürich oder den UBS Artist Talks. Die Artist Talks fanden unter anderem mit dem Künstler Georg Baselitz statt, wo ich dann vor Ort einen Livestream machte, Bilder und Zitate postete und danach noch einen Blogeintrag bei mir aufschaltete. Es ging wirklich ein Traum in Erfüllung, Baselitz zu treffen und ich bin dankbar, dass Mary Rozell und der Rest des Kunstteam der UBS mir dies ermöglicht haben. Ich agiere und arbeite viel aus Intuition heraus und bin bei bezahlten Kooperationen sehr selektiv. Auch ein Nein bringt einen manchmal weiter. Ich will ja meiner Marke treu bleiben und auf keinen Fall meine Kredibilität verlieren.
Wie kommen die Kollaborationen mit diesen Partnern zustande?
AH: Das kommt von beiden Seiten her. Ich verschicke einen monatlichen Newsletter, treffe Leute an Veranstaltungen oder mache Pitches. Bei der Kunsthaus-Partnerschaft kam die Medienagentur auf mich zu und hat mich engagiert, um für sie Werbung über meine Social-Media-Kanäle und den Blog zu machen.
Hast du einen Trick bei deiner Arbeit auf Social Media, damit der Inhalt erfolgreich wird und gut ankommt?
AH: Im Social-Media-Bereich gibt es eigentlich keine Geheimrezepte für erfolgreiche Posts. Man muss viel ausprobieren, das heisst viel trial and error durchmachen und man muss auch die Key Performance Indicators (KPIs) im Nachhinein analysieren, um zu sehen ob man seine Ziele erreicht hat. Ich poste auf Instagram und Facebook viele Bilder, Stories, Verlinkungen und auf dem Blog kann ich natürlich Artikel veröffentlichen und Werbe-Banner schalten. Newsletterwerbung verschicke ich ebenfalls und mache Eventempfehlungen. Und Twitter benutze ich für Fotos und allen voran für Links.
Memes vs. Kunst
Bei so vielen Leuten, die dir folgen, zeichnen sich sicherlich gewisse Tendenzen ab. Was kommt bei deinem Publikum am besten an?
«Memes bieten einen spassigen Einstieg in Kunstthemen»
AH: Meine Followerinnen kommen von überall her. Unter den top five sind die Schweiz, USA, England, Frankreich und die Türkei. Es sind viele junge Leute mit dabei. Und bei denen kommen definitiv Memes gut an. Sie bieten einen spassigen Einstig in Kunstthemen, es ist Entertainment! Daneben sind gute, starke und bunte Bilder mit Wiedererkennungswert beliebt. Manchmal stelle ich auch Fragen, um die Interaktivität und das Engagement zu steigern.
Reaktion und Interaktion – das heisst auf Social Media Likes oder Kommentare, ab und zu ein Reposting. Versuchst du immer, so viele Likes wie möglich zu bekommen?
AH: Ich habe mal einen guten Rat von der Kunstschaffenden Esther Epstein bekommen. Sie sagte zu mir «Andy, führe die Leute immer auch zu einem neuen Geschmack hin. Poste auch Sachen, die nicht im Mainstream sind und nur Likes bringen. Traue deinen Followern etwas zu.» Und nach diesem Rat versuche ich eigentlich, meinen Inhalt zu gestalten. Ich poste schon Sachen, die gut ankommen, aber auch mal etwas Neues, um mein Publikum herauszufordern und es auf den Geschmack zu bringen.
Du postest also vor allem, was dir persönlich gefällt. Dein Geschmack bringt dir Erfolg. Was machst du, wenn dir mal etwas nicht passt?
AH: Ich bin kein Kunstkritiker, ich urteile eigentlich nicht über Kunst. Für mich gibt es sowieso keine schlechte Kunst, alles ist Ansichtssache. Jeder sieht etwas anderes, hat seine eigenen Interpretationen. Und sehr gute Kunst ist für mich ambivalent und facettenreich, etwas, das die Betrachter irgendwie berührt.
Manchmal gibt es hunderte Kommentare zu deinen Posts. Wie behältst du den Überblick bei so vielen Reaktionen?
«Gute Kunst ist für mich sehr ambivalent»
AH: Ich finde es super, wenn meine Follower positiv auf meinen Content reagieren. Ich freue mich besonders dann, wenn Diskussionen Feuer fangen und eine Plattform für den Austausch entsteht. Ich versuche, auf die meisten Kommentare zu antworten, aber es ist schon sehr zeitaufwändig. Man muss sich eine persönliche Grenze setzen, bis wann man für andere verfügbar sein will.
Mittlerweile freuen sich Kunstschaffende wahrscheinlich darüber, wenn du ihre Werke teilst. Wie sieht die Interaktion mit Künstlern aus?
AH: Ich finde es sehr wichtig, dass die Künstlerinnen immer markiert werden, dass sie Anerkennung für ihr Arbeit bekommen. Die Künstler sollen davon profitieren können, wenn ihre Arbeiten geteilt werden. Alle sollen davon profitieren können.
Du bist ein Paradebeispiel dafür, dass Kunst ein breites Spektrum von Menschen auf Social Media interessiert. Wie wichtig ist es in der Kunstszene, auf Social Media präsent zu sein?
AH: Sehr wichtig! Auch Museen, die sich noch unsicher sind, sollten einfach mal Dinge ausprobieren und schauen, was gut ankommt und was nicht. Social Media ist ein wunderbares Kommunikationstool und gehört mittlerweile einfach zum Business. Das Internet ist ein neues Medium, man muss die Chancen nutzen, die es bietet und keine Angst davor haben. Es gibt kein demokratischeres Medium, jeder kann seine Meinung teilen. Das macht vielen vielleicht auch ein wenig Angst vor der Zukunft. Trotzdem ist es genauso wichtig, das Handy auch mal wegzulassen, wenn man in ein Museum oder eine Galerie geht.
Im Internet geben Museen oft nur sehr wenig von ihren Ausstellungen preis, fast so, als hätten sie Angst davor, zu viel zu verraten. Wird das Internet und Social Media je den realen Museumsbesuch ablösen?
AH: Ich glaube, es wird eher eine Synergie oder eine Symbiose geben, dass sich beide Welten ergänzen. Vielleicht wird man auch bald etwas immersives erleben können, das Beste aus beiden Welten.
Ein Tipp: Memes können dabei helfen, Kunstthemen als Entertainment zu verpacken und zeigen zudem, dass man einen gelassenen und somit zugänglichen Umgang mit Social Media pflegt.
Dieses Interview wurde am 19. Februar 2019 im Toni-Areal in Zürich geführt.